»Zeitungen
im Internet« – kann es das überhaupt geben? Kann ein Medium,
dessen Charakteristika der Herstellung und des Gebrauchs über Jahrhunderte
gewachsen sind, elektronische Form annehmen und dabei im Grunde bleiben,
was es immer war? Die unterschiedliche Materialität und ›Handhabung‹
von Online- und herkömmlichen Zeitungen wirft weitreichende Fragen
nicht nur für die Gestaltung auf: Inwieweit können bewährte
Routinen der klassischen Zeitung für das elektronische Medium genutzt
werden? Stehen nicht überhaupt die Grundprinzipien des (Print-)Journalismus
zur Debatte, wenn Interaktivität, Multimedialität, grenzenlose
Informationsvernetzung und der Zwang zur minutenschnellen Aktualität
zu den Spezifika des neuen Mediums gehören? Die Online-Zeitung, die
nicht nur die Print-Zeitung via Internet nutzbar machen will, sondern alle
durch den technischen Fortschritt ermöglichten Innovationen nutzen
möchte, wandert auf einem schmalen Grat. Sie wird einerseits unter
bestimmten Nutzungsaspekten immer Defizite gegenüber ihrem Print-Pendant
aufweisen, trifft aber auch auf Schwierigkeiten bei der Eroberung ihres
spezifischen Neulands. Ihr Aktualitätsvorsprung bleibt nur so lange
ein Vorzug, wie sich die Online-Zeitungen nicht zu reinen Agenturtickern
entwickeln. Die Möglichkeit zur grenzenlosen Informationsvernetzung
ist faszinierend, doch besteht die Gefahr, daß Masse der Qualität
vorgezogen wird. Multimedialität und Interaktivität erfordern
eine neue Aufgabendefinition der elektronischen »Zeitung« und
ein neues Rollenverständnis derer, die sie »machen«.
Die vorliegende Studie diskutiert diese Fragen nicht nur auf theoretisch-kommunikationswissenschaftlicher Ebene, sondern geht ihnen in der Praxis nach und untersucht, wie sich vier große, seriöse Tageszeitungen aus zwei Ländern Europas den Herausforderungen stellen. Im Rückblick auf die Entstehungsjahre der Online-Ausgaben wird analysiert, ob und wie sich hier ein neues Medium herausbildet und welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten in den spanischen und deutschen Beispielen erkennbar sind. Die Untersuchung zeigt, wie weit sich die betrachteten Online-Zeitungen bereits vom Selbst-Verständnis einer traditionellen Zeitung entfernt haben und macht zugleich deutlich, daß sich eine neue, eigenständige journalistische Form erst in der Entwicklung befindet.
Das Buch richtet sich an alle, die sich – ob inhaltlich oder gestalterisch
– mit dem Medium Online-Zeitung auseinandersetzen. Eine Begleit-CD
mit zahlreichen Beispielanalysen dokumentiert die Materialbasis der Arbeit
und macht die Argumentation auch im Detail nachvollziehbar. |