Im Zentrum der vorliegenden
Untersuchung steht Robert Müllers expressionistischer Roman Tropen.
Der Mythos der Reise (1915), dessen Position im Schnittpunkt von exotistischen,
ethnographischen und anthropologischen Diskursen nach der Jahrhundertwende
bestimmt wird. Die literarischen Texte Müllers werden dabei auch mit
seiner politischen Essayistik konfrontiert, und es stellt sich heraus, dass
der Bruch dieses Autors mit imperialistischem Kriegsenthusiasmus und Sozialdarwinismus
in seiner literarischen Produktion angelegt ist. Die Studie führt in
eine Szenerie der Gewalt, in der die Repräsentanten der imperialistischen
Expansion vor Ort im Zustand der ›Tropenneurasthenie‹ ihre zivilisierten
Hemmungen ablegen. In Form einer umfassenden historischen Diskursanalyse
wird das Panorama einer bevölkerungspolitischen Problematisierung von
Rassenmischung in den deutschen Kolonien entfaltet. Müllers exotistische
Hybridisierungsphantasien wirken vor diesem Hintergrund als Provokation,
denn die in seinem Tropen-Roman geschilderten Exzesse stellen die philanthropische
Rechtfertigung des kolonialen Projekts und dessen Anspruch auf Rationalität
in Frage. Als aktivistischer Kulturrevolutionär artikuliert Müller
auch in der Nachkriegszeit koloniale Phantasien, die als Visionen einer
supranationalen Weltordnung lesbar werden, in der Hybridität das imperiale
Projekt unterläuft.
Thomas Schwarz lehrt deutsche Sprache und Literatur an der University of
Pune, Indien. |