Orientierung in der
kulturellen Welt ist stets Auseinandersetzung mit dem Fremden. Dieses kann
personifiziert auftreten, sich an unbekannten Gebräuchen, Riten und
Institutionen zeigen, die Gestalt fremdartiger Objekte besitzen –
und vor allem die fremder Sprachen und Zeichen, Gedanken und Literaturen.
Die Auseinandersetzung mit dem kulturell Fremden kann unter verschiedenen
Vorzeichen zum Anlaß der Selbstbespiegelung werden. So verknüpft
sie sich zum einen mit der Erfahrung und Modellierung von Kontingenz: Die
fremden symbolischen Ordnungen, Lebenswelten und Wertsysteme führen
dem Beobachter die Beliebigkeit und Relativität von Sinnsystemen, Wertordnungen
und Wirklichkeitsmodellen vor Augen. Zum anderen erinnert das Fremde auch
an die Notwendigkeit interkultureller Verständigung und Interessensabstimmung
in einer globalisierten Welt. Das Stichwort Transkulturelle Rezeption erinnert
daran, daß die fremde Kultur zu Mittlerin werden kann, wo es um die
Auseinandersetzung mit dem Eigenen geht; das komplementäre Leitwort
Transkulturelle Konstruktion signalisiert, daß die Darstellung und
Deutung fremder Kulturen stets ein konstruktiver Akt ist: der Entwurf eines
»Bildes« der Fremde, über das sich nun erst kommunizieren
und das sich als Bild übermitteln läßt – das aber
auch stets Gefahr läuft, zum irreführenden Klischee zu werden.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes beleuchten und kommentieren exemplarische
Fälle transkultureller Rezeptions- und Konstruktionsprozesse. Sie erörtern
Beispiele einer dialogischen Auseinandersetzung mit dem Denken, der Literatur
und der Lebenswirklichkeit fremder Kulturen, bei denen es stets um ein Doppeltes
geht: um das bessere Verstehen des Fremden und um die vertiefende Auseinandersetzung
mit Gemeinsamem, also mit Eigenem. |