Guy Stern, selbst
Exilant und heute einer der weltweit maßgeblichen Vertreter der Exilforschung,
hat mit seinem Enthusiasmus als Forscher und Lehrer mehrere Schüler-Generationen
in Deutschland, England und den USA zu eigenen Untersuchungen der Exilliteratur
angeregt. »Der Exilzustand beschreibt sowohl im engeren wie im weiteren
Sinne eine, wenn nicht gar die wichtigste existentielle Komponente des zeitgenössischen
Menschen«, erklärt Guy Stern. Mit »Exilanten« meint
er »Schriftsteller, Künstler, Kulturträger und -multiplikatoren,
die aufgrund von Verfolgung, Zensur und Unterdrückung jedweder Art
und Veranlassung ihre Heimat verlassen mußten.« Aus psychologischen
wie literarischen Gründen waren dabei, so Stern, für Exilschriftsteller
in unterschiedlichen historischen Zusammenhängen stets autobiographische
Zeugnisse von besonderer Bedeutung. Um Lebens- und Überlebensdokumente
der wegen ihrer jüdischen Herkunft aus Nazi-Deutschland und den von
Deutschen besetzten Ländern emigrierten Autoren geht es in den Beiträgen
dieses Sammelbands. Sie stammen überwiegend von jüngeren Literaturwissenschaftler/inne/n,
die sich in ihrer Arbeit den Anregungen Guy Sterns in besonderer Weise verpflichtet
wissen. Im Brennpunkt einer ersten Gruppe von Beiträgen stehen Selbstreflexionen
über die Exilerfahrung und ihre poetische und künstlerische Manifestation.
Weitere Studien sind der ästhetischen Transformation des Leidens und
Aufbegehrens in den Nazi-Lagern sowie der Vermittlung traumatischer Erinnerungen
im Roman, in der Autobiographie und auf dem Theater gewidmet. Der in diesem
Band dokumentierte Übergang von der Exilliteraturforschung zur Analyse
der Holocaust-Literatur mit ihren spezifischen Herausforderungen ist kein
Paradigmenwechsel. Vielmehr orientiert sich, wie in einem Epilog abschließend
reflektiert wird, eine thematisch erweiterte und verjüngte Exil- und
Holocaustliteraturforschung an den jüngsten Berichten der ältesten
Überlebenden und ihren Appellen gegen das Vergessen. |