Michael Niehaus .
Autoren unter sich
Walter Scott, Willibald Alexis, Wilhelm Hauff und andere in einer literarischen Affäre
(Labor Synchron)
2002, 109 Seiten, Brosch.
€ 14,80
ISBN 3-935025-36-X
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1823 veröffentlicht der junge und noch unbekannte Willibald Alexis einen dreibändigen Roman mit dem Titel Walladmor und gibt ihn als die Übersetzung eines neuesten Romans von Walter Scott aus. Dies ist der Beginn einer verwickelten literarischen Affäre, die um die berühmte Frage Was ist ein Autor? kreist. Thomas De Quincey übersetzt den Roman von Alexis ins Englische und entstellt ihn dabei. Alexis reagiert darauf in einem zweiten Roman, den er Scott unterschiebt. Wilhelm Hauff nimmt sich den Erfolg von Walladmor zum Vorbild, schreibt den Roman Der Mann im Mond im Namen des deutschen Erfolgsautors H. Clauren und sieht sich daraufhin in einen Prozeß verwickelt, auf den der unbekannt gebliebene Schriftsteller Karl Herloßsohn seinerseits in einem H. Clauren untergeschobenen Roman reagiert. Die Möglichkeitsbedingung dieser Affäre ist die sich endgültig durchsetzende Industrialisierung des Buchmarktes bei noch nicht endgültig festgelegtem Urheberrecht. Nur unter dieser Voraussetzung können die Aporien der Funktion Autorschaft in einem Niemandsland ausagiert werden, das weder der Welt der realen Autor-Subjekte noch der Welt ihrer fiktiven Figuren zugehört. Atopischer und heterotoper Schauplatz dieser Affäre sind die sogenannten Paratexte – vor allem die Vorworte und die Nachschriften, in denen der Autor in eigener Sache zu sprechen vorgibt, sich hier aber hinter dem Namen eines anderen Autors verbirgt. Die Rekonstruktion dieser Affäre lehrt daher auch etwas über die logische Beschaffenheit dieses paratextuellen Niemandslandes, in dem die Autoren zu Wiedergängern werden, in dem sie sich Doppelgänger erschaffen und Geistergespräche mit sich und ihresgleichen führen.
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Michael Niehaus, geb. 1959, Promotion 1993, Habilitation 2001 im Bereich Neuere deutsche Literaturwissenschaft, derzeit an der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen u.a. zur Erzählliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts, zur Literaturtheorie, zu Literatur und Recht sowie zur Kommunikations- und Medientheorie.
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