Benno von Wiese
(1903–1987) gehört zu den prominentesten und einflussreichsten
Literaturwissenschaftlern der frühen Bundesrepublik. Sein Leben und
Werk werden hier erstmals auf der Grundlage umfangreicher Archivrecherchen
vorgestellt. Im Zentrum steht von Wieses Verhältnis zum Nationalsozialismus,
zu dem er in den frühen dreißiger Jahren eine deutlich zustimmende,
wenngleich in den Folgejahren durchaus von Ambivalenzen durchsetzte Haltung
entwickelte, und es wird thematisiert, wie er diese Vergangenheit in der
Nachkriegszeit verarbeitet hat. Besonders problematisch erscheint dabei
aus heutiger Sicht die Art und Weise, wie er seit den sechziger Jahren
mit diesem Teil seiner eigenen wie der deutschen Geschichte umgegangen
ist. Die chronologisch aufgebauten Hauptteile der Untersuchung nähern
sich den komplexen Zusammenhängen in sorgfältig abwägenden
Analysen, die den eigenen Interpretationshorizont stets mitreflektieren.
Jenseits von einfachen Schuldzuweisungen ist es das primäre Ziel
der Studie, Weg und Wirken dieses Repräsentanten des deutschen akademischen
Bildungsbürgertums im wissenschaftlichen und politischen Kontext
zu rekonstruieren und damit besser verstehen zu können. Erstmals
werden hier ausführliche Passagen aus den Briefwechseln mit Hannah
Arendt und Richard Alewyn abgedruckt, mit denen von Wiese befreundet war.
Umfassende Schriftenverzeichnisse sowie Listen der Lehrveranstaltungen
und Promotionen dokumentieren eine literaturwissenschaftliche Karriere,
die lang anhaltende Spuren in der bundesdeutschen Germanistik hinterlassen
hat und weit über die engen Fachgrenzen hinaus wahrgenommen worden
ist.
Klaus-Dieter Rossade lehrt deutsche Sprache und Kultur an der britischen
Open University in Milton Keynes.
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