Als Erich Kästner
in der Rückschau Tucholsky als kleinen dicken Berliner beschrieb, der
versucht habe, mit der Schreibmaschine die Katastrophe aufzuhalten, war
ein zäh haftendes Etikett geboren. Ein großer Teil der Tucholsky-Rezeption
hielt sich seitdem an den Satiriker, den Moralisten und den politischen
Aufklärer und stellte – unter jeweils unterschiedlichen Prämissen
– seine gesellschaftspolitische Wirkung in den Vordergrund. Zu wenig
kam dabei bisher in den Blick, daß man über Tucholskys Engagement
erst dann gesichert sprechen kann, wenn man sich darüber verständigt
hat, um welchen Typ von ›Literatur‹ es sich bei Tucholskys Texten
eigentlich handelt. Die vorliegende Arbeit versucht darauf eine Antwort
zu geben, indem sie Tucholskys Zickzackkurs vom Briefschreiber zur Pseudonymie,
vom Kabarettisten zum Buchautor, vom Medientechniker zum Exilanten im zeitgenössischen
Diskursraum nachgezeichnet. Seine Autorschaft erweist sich dabei insgesamt
als eine Form von Paradoxienmanagement: In der nachrealistischen Moderne
versucht der Medienarbeiter Tucholsky gesicherte Autorschaft und authentisches
Erzählen, die er für die gesellschaftliche Wirksamkeit von ›Literatur‹
als konstitutiv ansieht, noch einmal technisch zu restituieren – ein
spannungsreiches Unternehmen, an dem er immer wieder und im Exil schließlich
final scheitern mußte. |