Wilhelm Genazino,
spätestens seit den 70er Jahren mit der Abschaffel-Trilogie bekannt
geworden, ist vor allem durch seine jüngeren Werke ins Bewusstsein
gerückt. Die Leichtigkeit seines Erzählens, das Schwerwiegendes
dennoch nicht ausblendet, mag dafür verantwortlich sein. Doch führt
eine Spur aus den frühen zu den neueren Werken. Diese nachzuzeichnen
unternimmt die vorliegende Studie. Ausgehend von der These eines sich im
Schreiben vollziehenden Individuationsprozesses werden Formen narrativer
Wirklichkeitskonstruktion herausgearbeitet. Methodisch liegt der Fokus auf
einem hermeneutisch ausgerichteten Blick, der soziologische, weltanschauliche
und erzähltheoretische Fragen perspektiviert. Genazinos Texte präsentieren
ein dialektisches Erzählen, das die Gegensätze nicht in Kontrast
zueinander, sondern zum Schweben bringt. Seit je interessiert diesen Autor
nicht, was glänzt und blendet, sondern das, was nicht funktioniert.
Doch ist die mangelhafte Welt für seine Figuren nicht nur Projektionsfläche
der eigenen Verstörungen, sondern der Weg in einen inneren Erzählraum.
Begabt mit einem besonderen Blick, reden diese Figuren gegen ihr Verschwinden
an und wissen doch, dass gerade diese Rede das rettende Spiel ist. Im Status
der Vorläufigkeit, in der Vorfreude auf ein neues, anderes Spiel liegt
ihr Vorzug. So entdeckt Genazino im unabwendbaren Scheitern zunehmend eine
gewisse Komik. Zugleich tritt die Todesthematik verstärkt in den Vordergrund.
Genazino erweist sich solchermaßen als Repräsentant einer klassischen
Literarischen Moderne, in die er sich problemlos einschreibt, mit deren
Wissensbeständen er aber gleichzeitig aus gegenwärtiger Position
ironisch spielt.
|