Anja Hirsch .
»Schwebeglück der Literatur«
Der Erzähler Wilhelm Genazino
2006, 304 Seiten, 3 Abb., Brosch., € 34,80 
ISBN-10: 3-935025-88-2 
ISBN-13: 978-3-935025-88-1

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Wilhelm Genazino, spätestens seit den 70er Jahren mit der Abschaffel-Trilogie bekannt geworden, ist vor allem durch seine jüngeren Werke ins Bewusstsein gerückt. Die Leichtigkeit seines Erzählens, das Schwerwiegendes dennoch nicht ausblendet, mag dafür verantwortlich sein. Doch führt eine Spur aus den frühen zu den neueren Werken. Diese nachzuzeichnen unternimmt die vorliegende Studie. Ausgehend von der These eines sich im Schreiben vollziehenden Individuationsprozesses werden Formen narrativer Wirklichkeitskonstruktion herausgearbeitet. Methodisch liegt der Fokus auf einem hermeneutisch ausgerichteten Blick, der soziologische, weltanschauliche und erzähltheoretische Fragen perspektiviert. Genazinos Texte präsentieren ein dialektisches Erzählen, das die Gegensätze nicht in Kontrast zueinander, sondern zum Schweben bringt. Seit je interessiert diesen Autor nicht, was glänzt und blendet, sondern das, was nicht funktioniert. Doch ist die mangelhafte Welt für seine Figuren nicht nur Projektionsfläche der eigenen Verstörungen, sondern der Weg in einen inneren Erzählraum. Begabt mit einem besonderen Blick, reden diese Figuren gegen ihr Verschwinden an und wissen doch, dass gerade diese Rede das rettende Spiel ist. Im Status der Vorläufigkeit, in der Vorfreude auf ein neues, anderes Spiel liegt ihr Vorzug. So entdeckt Genazino im unabwendbaren Scheitern zunehmend eine gewisse Komik. Zugleich tritt die Todesthematik verstärkt in den Vordergrund. Genazino erweist sich solchermaßen als Repräsentant einer klassischen Literarischen Moderne, in die er sich problemlos einschreibt, mit deren Wissensbeständen er aber gleichzeitig aus gegenwärtiger Position ironisch spielt.